Thomas Sing |
Künstler & Autor

Buchempfehlungen von Künstler und Autor Thomas Sing

Ich lebe mit Chiara und unserem kleinen Sohn in Augsburg und im Veneto, verbringe aber mehr und mehr Zeit in Paris. Wir haben uns vor über 20 Jahren während des Studiums kennengelernt, ich komme aus der Literatur, Philosophie und Psychologie, Chiara aus der Übersetzung. Das fühlt sich wie ein anderes Leben an, wenn ich daran denke, dass wir heute nur noch Kunst machen. Das größte Geschenk ist jedenfalls, dass wir uns zwar immer unabhängig voneinander, aber in etwa gleichzeitig und in ähnliche Richtungen verändert haben, so dass wir über die Jahre hinweg immer mehr zusammengewachsen sind.

“Als Künstler gibt es für uns eigentlich keine klare Trennung von Leben und Arbeit, außer dass wir es glücklicherweise schaffen, nur über die Arbeit zu streiten, wenn es zum Beispiel um die Bildauswahl für eine Publikation geht. Privat sind wir sehr harmonisch.”

Thomas

Nach einigen Jahren Bildjournalismus nach dem Studium und einer dreijährigen Lehrtätigkeit an der Universität Augsburg ging es für mich zusammen mit Chiara erstmal in die Freiberuflichkeit als Fotografen. Wir haben anfangs viel kommerziell gearbeitet, vor allem in der Modefotografie. Das war eine spannende Zeit, in der wir sehr viel unterwegs waren. Parallel dazu kamen die ersten Ausstellungen und die Lust, mehr Kunst zu machen. Irgendwann ist die Waage dann gekippt, ich denke das war 2017, als wir mein erstes Buch ‘Until I Break’ publiziert haben. Inzwischen nutze ich neben der Fotografie viele andere Medien und Techniken (v.a. Zeichnung und Skulptur) und arbeite fast ausschließlich künstlerisch. Am meisten gefällt mir an der Kunst, dass ich ganz meinem Instinkt, meiner Intuition folgen kann und muss, das ist ein täglicher Aufbruch ins Ungewisse, der mich unglaublich erfüllt. Wunderschön ist auch, dass Kunst (jenseits ihres Preises, den sie sicherlich hat und haben muss) eine Gabe ist, deren Wirkung nie vorhersehbar ist; oft gibt man mit einem Werk, wie auch mit einem Buch, den Menschen etwas, an das man selbst im kreativen Prozess gar nicht gedacht hat.

Bücher und Bildbände empfohlen von Künstlerin und Autorin Chiara Padovan
Bücher und Bildbände empfohlen von Künstler und Autor Thomas Sing

THOMAS’ BUCHAUSWAHL | BÜCHER & BILDBÄNDE

Bücher sind Tore: zu Freude, zu Erfahrung, zu Weisheit. Tore, durch die ich mein Ego kurzzeitig verlassen und dann bereichert (gespiegelt, verzerrt, in Frage gestellt, verletzt, geheilt…) wieder zu ihm zurückkehren kann. Ich denke, ich könnte zu jeder Etappe meines Lebens ein paar Buchtitel angeben. Ein Leben ohne Bücher ist schlichtweg undenkbar.

“Mir gefällt sehr, wie (und dass) das Sortiment von VINCENT&VOLTAIRE geschmackvoll und mutig kuratiert ist, dass eure eigenen Vorlieben durchscheinen. Nichts ist trauriger als eine Buchhandlung ohne eigenen Standpunkt.”

Thomas

Ich kaufe überall, on- und offline, Bücher. Manchmal möchte man sich in einem Sortiment verlieren und ein Buch finden, das man nie gesucht hat, manchmal muss es einfach schnell und unkompliziert gehen.

Ich lese momentan circa 20 Bücher gleichzeitig, davon dreht sich etwa die Hälfte um die Geschichte der Stadt Paris; da möchte ich eure Geduld nicht über Gebühr strapazieren, gebe aber auf Nachfrage gerne Tipps. Abgesehen davon, fragmentarisch und ohne jede Ordnung in der Aufzählung: Riccardo Falcinellis umfangreiche Geschichte der Farben ‘Cromorama’ von Einaudi; Simone Weils letzte Notizen zur Metaphysik (‘Œuvres complètes VI: Cahiers Vol. 4, juillet 1942 – juillet 1943’ von Gallimard); David Bohms ‘Wholeness and the Implicate Order’ vom Routledge Verlag, in dem er Quantenphysik und Mystik zusammen denkt; Giorgio Agambens ‘Geschmack’ von Merve, das Alexandra mir kürzlich geschenkt hat; Christine Lavants ‘Gedichte’ (2 Bände der vierbändigen Ausgabe) von Wallstein, deren sprachliche wie existenzielle Intensität (nicht ohne Grund wird sie mit Thomas Bernhard verglichen) sie eigentlich in den Olymp deutschsprachiger Lyrik katapultieren müsste; und last but not least Marcel Prousts ‘À la recherche du temps perdu’, das ich eigentlich für die Rente aufheben wollte, aber nun bin ich doch froh, dass ich es um zwei bis drei Jahrzehnte vorgezogen habe, nachdem ich den ersten Band der Gallimard-Ausgabe geschenkt bekommen habe; in der Recherche ist sicherlich in jeder Hinsicht ein Gipfel erreicht.

Wolfgang Tillmans four books TASCHEN Verlag Buchcover

WOLFGANG TILLMANS. FOUR BOOKS | TASCHEN

Eine zeitgenössische Überlagerung von Ästhetik & Poltik.

Die four books von Wolfgang Tillmans, einen der wichtigsten zeitgenössischen Fotografen, der wie wenige andere in seinem Werk Ästhetik und Politik überlagert.

Manch einer hat ein großes Feuer in seiner Seele Die Briefe C.H. Beck Verlag Buchcover

Van Goghs Briefe, in denen all seine tragische Größe unglaublich menschlich und eindrucksvoll aufscheint.

Bücher und Bildbände empfohlen von Künstlerin und Autorin Chiara Padovan
Bücher und Bildbände empfohlen von Künstlerin und Autorin Chiara Padovan

HARD THEORY | PADOVAN SING VERLAG

Gibt es eine Metaphysik des Begehrens? Eine Metaphysik der Bilder? Eine Metaphysik der Freundschaft?

Einerseits ist Hard Theory für mich eine Weiterführung meiner Arbeit der letzten Jahre, die sich – aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet – um das Thema “Innere Erfahrung” dreht, etwa in meinen Contemplations (2017-19; Tusche und Gold auf analogen Fotografien), die der Gotteserfahrung der abendländischen Mystik nachspüren; in meinen vergoldeten Holzskulpturen Knieholz (2019-20) reichere ich diese Suche dann um eine körperliche und eine ökologische Dimension an; und meine neueste Serie Plénitudes (großformatige Kohlezeichnungen), an der ich seit Dezember 2020 arbeite, ist eine Art visuelles Meditationstagebuch, in dem ich das, was ich in dieser Nacht der Sinne, in die ich mich jeden Morgen teilweise für mehrere Stunden begebe, direkt im Anschluss aufs Papier bringe.

Aber die deutlichste Nähe hat Hard Theory sicherlich zu meinem ersten Buch Until I Break (2017), einer fiktiven Autobiographie wenn ich so sagen darf, in der ich aus der Perspektive einer jungen Frau Erotik und Spiritualität überlagere. Auch hier habe ich schon mit Fotos und Texten gearbeitet, aber während Until I Break noch sehr persönlich und intim war, haben wir mit Hard Theory versucht, den Diskurs sozusagen zu verallgemeinern, in dem wir die Frage nach der Metaphysik grundsätzlich stellen. Gibt es eine Metaphysik des Begehrens? Eine Metaphysik der Bilder? Eine Metaphysik der Freundschaft?

Ohne die Zusammenarbeit mit Alexandra wäre das in dieser Form sicher nie zustande gekommen, insofern ist es auch Dokument und Resultat unserer Freundschaft. Während ich mit Chiara ja schon seit über zehn Jahren arbeite, war diese Erfahrung neu für mich. Und das Resultat kann sich glaube ich durchaus sehen lassen. Fortsetzung folgt hoffentlich.

Van Dyck Hirmer Verlag Buchcover

Van Dyck ist einer meiner Lieblingsmaler.

Von der Unzahl an Namen inspirierender Menschen, die hier zu nennen wären, möchte ich nur den einen herausgreifen, der mir zuerst einfällt – sicher weil eines ihrer Bücher immer noch oben auf dem Turm in meiner Leseecke liegt: Lydie Dattas (*1949): eine französische Autorin, deren Werke leider nicht ins Deutsche übersetzt sind. In ihrer Poesie koinzidieren eine Schönheit, die ich vor ihr dem Bereich des Sagbaren entzogen geglaubt hatte, mit der Klarheit und Einfachheit des Faktischen: dem Lila des Flieders, dem Weiß des Schnees usw. – Sie erreicht damit ein Maß an Vollendung, das ich, seit ich ihre Arbeit kenne, als Ideal über meine eigenen Werke setze.

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